
»Covid Keepers«: Die Unterrichtsstrategien, die wir nach dem Ende der Pandemie beibehalten sollten
Durch die Covid-19-Pandemie und daraus resultierende Maßnahmen haben viele Bildungseinrichtungen ihre Unterrichtsmethoden ändern müssen, um ihre Schüler|innen|Schülys und Studierenden weiterhin ausbilden zu können. Was lässt sich davon mitnehmen? Wo liegen Chancen, Verbesserungen, aber auch welche Probleme zeigten sich?
Letitia Basford
Im Frühjahr 2020 war unsere kleine Hochschule für Geisteswissenschaften in Saint Paul, Minnesota, USA aufgrund der Pandemie gezwungen, den Unterricht komplett aus der Ferne zu gestalten. Die Umstellung erfolgte sofort und der Unterricht war zugegebenermaßen chaotisch. Im Herbst 2020 kehrten wir zu einer Mischung aus Fernunterricht und hybriden Methoden zurück, wofür wir einen Sommer lang pädagogische Vorbereitungen trafen. Überall in der Universität probierten die Lehrkräfte neue Lehrstrategien aus, um das Lernen für die Studierenden in diesen neuen Kontexten zu verbessern. Die Lehrkräfte waren sich auch des emotionalen Tributs bewusst, den die Pandemie von ihren Studierenden forderte, und praktizierten daher einen flexibleren und mitfühlenderen Ansatz. Im kommenden Herbst werden »Zooming-in«, Masken und das Sitzen im Halbkreis vielleicht nicht mehr erforderlich sein, aber die Lehrkräfte fragten sich, ob es vielleicht einige auf die Pandemie ausgerichtete Unterrichtsmethoden gibt, die sie in Zukunft beibehalten sollten. Um diese Frage zu klären, haben wir uns an die Studierenden gewandt und sie gebeten, uns zu sagen, welche »Covid Keepers« wir auch noch lange nach dem Ende der Pandemie beibehalten sollten.

Überforderung und Vereinsamung erlebten viele Studierende während der Covid-Pandemie.
Um die Perspektive der Studierenden zu erfassen, stütze ich mich auf zwei Datenquellen:
Ende März 2021 wurde eine Umfrage unter allen Studierenden durchgeführt, die sowohl quantitative Fragen als auch offene Kommentarfelder enthielt. Der Zweck der Umfrage war es, die Zufriedenheit der Studierenden mit ihren akademischen und Campus-Erfahrungen während des Studienjahres 2020/21 zu messen. Etwa zehn Prozent der Studierenden füllten die Umfrage aus, mit 193 (von 1.925) Antworten von Studierenden und 132 (von 1.316) Antworten von Doktorant|innen|ys.
Im Frühjahr 2021 führte ich zwei Fokusgruppeninterviews mit meinen Studierenden im Grundstudium (n = 15) und im Hauptstudium (n = 18) durch. Ich habe die Studierenden gebeten, allgemein die Lehrpraktiken auf unserem Campus zu reflektieren, die für sie im vergangenen Studienjahr einen Unterschied gemacht haben.
Aus diesen Daten kristallisierten sich fünf Themen heraus. Im Folgenden beschreibe ich diese Themen als sogenannte Covid Keepers, an denen die Studierenden festhalten wollen.
Covid Keeper #1: Praktiziere Flexibilität und Mitgefühl
Aus den Umfragedaten ging hervor, dass viele Professor|innen|Professys als Folge der Pandemie deutlich flexibler und mitfühlender waren. Die Studierenden berichteten, dass viele Professor|innen|Professys zusätzliche Unterstützung bei Aufgaben, Fristverlängerungen, Vorlesungsaufzeichnungen zur zusätzlichen Wiederholung usw. anboten. Die Studierenden zeigten sich dankbar für diese akademische Unterstützung.
In einem Interview mit einer Fokusgruppe erzählte eine Studentin, dass ihr Professor sich häufig bei der Klasse meldete, um zu erfragen, wie es ihnen in seiner Klasse ging. Als sich das Semester dem Ende zuneigte, berichteten mehrere Student:innen der Klasse, dass sie sich wegen der Art der Abschlussprüfung überfordert fühlten. Der Professor hörte ihnen zu und beschloss – zum ersten Mal in seiner Lehrtätigkeit –, die abschließende Multiple-Choice-Prüfung, bei der viel auf dem Spiel steht, durch eine abschließende Reflexionsarbeit mit geringerem Gewicht zu ersetzen. Die Studentin erzählte, dass die Klasse ihrem Professor für seine Flexibilität und sein Verständnis sowie für seine Bereitschaft, nachzufragen, sehr dankbar war.
Diese Geschichte deckt sich mit einem kürzlich erschienenen Artikel über eine Lehrkraft, die während der Pandemie einen wichtigen Sinneswandel vollzog: Die Lehrperson beschloss, auf jede vernünftige Anfrage während des Jahres mit »Ja« zu antworten – eine bedeutende Veränderung für diese Lehrkraft, denn ihre typische Antwort war immer »Nein« gewesen. Wenn die Studenten eine zusätzliche Wiederholungsstunde wünschten, sagte sie ja; wenn sie eine Verlängerung einer Aufgabe wünschten, sagte sie ja; wenn sie darum baten, ihre Notizen für einen Test verwenden zu dürfen, stimmte sie zu. Das Ergebnis all dieser »Ja« war überraschend. Sie stellte fest, dass dies ihre Beziehungen zu den Schülern stärkte und sie ermutigte, härter zu arbeiten und um Hilfe zu bitten, wenn sie sie brauchten. Zusammenfassend lässt sich sagen, dass sich unsere Studierenden unterstützt fühlten, als wir während Covid unsere Flexibilität und unser Mitgefühl steigerten. Auch die Lehrkräfte können von dieser Praxis profitieren.
Covid Keeper #2: Hinwendung bedeutet den Studierenden viel
Es war ein hartes Jahr mit der Pandemie, dem Mord an George Floyd, den Bürgerunruhen, der Diskriminierung asiatischer Amerikaner|innen|Amerikanys und vielem mehr. Viele unserer Studierenden hatten zusätzlich mit persönlichen Problemen zu kämpfen, die sie stark belasteten, wie Arbeitsplatzverlust und Krankheit. Die Studierenden berichteten, dass es ihnen nicht immer leicht fällt, ihren Professor|innen|Professys mitzuteilen, wie es ihnen persönlich geht, dass es ihnen aber sehr viel bedeutet, wenn sich Professor|innen|Professys die Zeit dafür nehmen.
Ein Student erzählte beispielsweise, dass sein Bruder mit Drogenproblemen zu kämpfen hatte und seine Mutter sich von einer Krebserkrankung erholte, was zu erheblichen Problemen in seiner Familie führte und einen hohen Tribut von ihm forderte. Einem Dozenten fiel auf, wie zurückgezogen er im Unterricht war, und er fragte ihn per E-Mail: »Geht es Ihnen gut? Wollen Sie spazieren gehen?« Diese Geste bedeutete ihm sehr viel und half ihm, in der Klasse weiterzumachen. Daraus lässt sich schließen, dass es viel bedeutet, wenn wir unseren Studierenden die Hand reichen. Selbst wenn wir nicht die Mittel haben, um das Problem zu lösen, zeigen wir ihnen, dass wir uns um sie kümmern. Während Covid haben wir diese Praxis der Kontaktaufnahme verstärkt, und die Studierenden möchten, dass wir dies auch in Zukunft tun.
Covid Keeper #3: Zeige Verwundbarkeit
Für viele Lehrkräfte war das Unterrichten aus der Ferne Neuland. Infolgedessen waren sie eher bereit, sich bei den Studierenden zu erkundigen, wie der Unterricht für sie verlief. Wir stellten unseren Studierenden Fragen wie: »Habe ich diese Gruppenräume richtig eingerichtet? Sollte ich weiterhin … machen?« Die Schüler|innen|Schülys wussten diese Verletzlichkeit und das Bemühen zu schätzen, ihre Vorschläge zur Verbesserung des Unterrichts zu erfragen.
In einem Interview mit einer Fokusgruppe beschrieb eine Studentin einen Professor, der bereits zwei Wochen nach Semesterbeginn eine anonyme Google-Umfrage durchführte, um herauszufinden, was bei den Studierenden gut oder schlecht ankam. Die Studentin forderte mehr Zeit für Diskussionen und war erschrocken, als der Professor diese Forderung vor der Klasse bestätigte und die Empfehlung sofort umsetzte. Die Studentin meinte: »Wenn man sieht, wie die eigenen Vorschläge umgesetzt werden, ist das ein tolles Gefühl ... als ob die eigene Stimme zählt.« Auch andere Fokusgruppenteilnehmer schätzten die bessere Möglichkeit, frühzeitig und häufiger Feedback zu geben. Sie teilten mit, dass die Kursbeurteilung am Ende des Semesters in der Regel die einzige Gelegenheit ist, Feedback zu geben, was zu spät ist, um sinnvolle Änderungen für den Unterricht vorzunehmen. Die Dozent:innen sollten auch weiterhin schon zu Beginn des Semesters nach Vorschlägen der Studierenden fragen, um den Unterricht auf deren Bedürfnisse abzustimmen.
Covid Keeper #4: Hilf, den Sinn des Geschehens in der Welt zu verstehen
Die letzten 12 Monate waren unerbittlich. Vor etwas mehr als einem Jahr wurde das akademische Jahr abrupt abgebrochen. Einige Monate später wurde George Floyd ermordet, was monatelang einige der größten Proteste in der Geschichte der USA auslöste. Es folgten der Anschlag auf die Hauptstadt, die Ermordung von Daunte Wright, die verstärkte Diskriminierung asiatischer Amerikaner|innen|Amerikanys, und die Liste ließe sich fortsetzen. Die Studierenden waren isoliert, besorgt und beunruhigt. Einige Professor|innen|Professys fühlen sich vielleicht etwas unsicher, diese Themen anzusprechen, oder es mag schwierig sein, den Lehrplan direkt mit den Ereignissen zu verknüpfen, die außerhalb des Hörsaals stattfinden, aber regelmäßige »Gemeinschaftstreffen« können viel beitragen.

Manche Lehrkräfte schafften es, auch online eine vertrauensvolle Atmosphäre zu schaffen.
Ein Student der Fokusgruppe erzählte beispielsweise von der Routine einer Professorin, jede Vorlesung mit einer kurzen fünf- bis zehnminütigen »Eröffnungssitzung« zu beginnen, die es den Studierenden ermöglichte, Ankündigungen zu machen, aber auch die wichtigsten Nachrichten der Welt anzusprechen. Mit dem Fortschreiten des Semesters wuchs auch der Mut, Dinge wie eine Polizeischießerei oder das bevorstehende Urteil im Prozess gegen Derek Chauvin anzusprechen. Der Student erzählte: »Die Eröffnungssitzungen wurden immer intensiver, je besser wir uns kennenlernten und einander vertrauten. Ich erfuhr, dass wir alle eine Menge durchmachen und eine gute Gemeinschaft bilden«. Ein anderer Student erzählte von einer beeindruckenden Erfahrung mit einem Dozenten, der jede Unterrichtsstunde mit Engagement begann und einem anderen Studierenden erlaubte, sie zu leiten. Diese Beispiele zeigen, wie wir unseren Studierenden die Möglichkeit geben können, sich mit der Welt auseinanderzusetzen und von ihrem Leben zu erzählen, und sie erfordern nur wenig Vorbereitung oder Unterbrechung unserer normalen Lehrveranstaltungen.
Covid Keeper #5: Hilf, uns besser miteinander verbunden zu fühlen
Die Umfrage ergab, dass die überwältigende Mehrheit der Studierenden sich von ihren Kommilitonen und der Universitätsgemeinschaft insgesamt isoliert fühlte, da viele ihrer Kurse online stattfanden. In den Fokusgruppen berichteten die Studierenden jedoch, dass einige ihrer Professor:innen ihnen geholfen haben, sich auch aus der Entfernung verbunden zu fühlen. Eine Austauschstudentin, die neu an unserer Universität war, erzählte: »Ich hatte erwartet, dass ich mich während der Pandemie an einer neuen Hochschule verloren und übersehen fühlen würde, weil ich niemanden kannte. Aber eine Professorin, die ich hatte, hat sich sehr bemüht, uns das Gefühl zu geben, dass jeder Studierende wichtig ist, sogar online.« Diese Professorin begann jede Vorlesung mit Fragen zur Auflockerung, die die Studierenden zum Reden, Lachen und Kennenlernen zwangen. Sie konferierte individuell mit den Studierenden über Zoom und führte Partnerdiskussionen und Gruppenarbeiten ein, die die Studierenden dazu brachten, zusammenzuarbeiten.
Die Forschung zeigt, dass Beziehungen einen starken Einfluss auf den akademischen Erfolg haben. K-12-Studien zeigen, dass einfache Gesten wie die Begrüßung an der Tür das akademische Engagement um zwanzig Prozentpunkte steigern. Kleine Bemühungen um den Aufbau von Beziehungen in unseren Klassen sind für die Studierenden von großer Bedeutung, und sie hoffen, dass wir diese Praxis auch in weniger schwierigen Zeiten weiter ausbauen können.
Praktiken, die nach diesem Covid-Jahr nicht weitergeführt werden sollen
Während Studierende im Hauptstudium dem Fernunterricht gegenüber aufgeschlossener waren, hatten Studierende im Grundstudium Probleme mit dem »virtuellen Ganzen«. Aus den Umfragedaten ging hervor, dass asynchrone Lehrveranstaltungen besonders herausfordernd für unsere Studierende im Grundstudium waren. Viele Studierende berichteten auch, dass die Arbeitsbelastung in den Fernkursen entweder als »viel zu schwer« oder als »viel zu leicht« empfunden wurden. Die Studierenden gaben jedoch an, dass sie es begrüßen würden, wenn sie ihre Dozent:innen von Zeit zu Zeit online treffen könnten, z. B. zu Sprechstunden und gelegentlichem Fernunterricht. Die Studierenden wünschten sich auch, dass die Dozent|innen|ys ihnen die Möglichkeit geben würden, sich per Zoom in eine Präsenzveranstaltung einzuwählen, wenn sie krank sind oder einen Notfall haben.
Die Studierenden in den Fokusgruppen-Interviews gaben an, dass vorlesungslastige Kurse im Fernunterricht besonders schwierig sind. Sie beschrieben sie als »lang und enorm langweilig« und forderten die Professor|innen|Professys auf, »einen Weg zu finden, unsere Zeit ein wenig besser zu gestalten«. Ein Student sagte: »Wenn [der Kurs] nur eine Vorlesung ist, gehe ich in neun von zehn Fällen nicht hin. Das ist langweilig für mich. Ich schaue mir die Vorlesung lieber in Ruhe an, mache Pausen, wenn es nötig ist, und komme dann zum Seminar, um mich zu beteiligen«. Die Studierenden drängten die Professor|innen|Professys, ihre Vorlesungen »ansprechender« zu gestalten, und baten sie, »die Art und Weise, wie sie unterrichten, zu variieren«. Die Studierenden schätzten es, dass einige Professor|innen|Professys ihre Vorlesungen aufzeichneten, sodass die Studierenden sie sich entweder vor der Vorlesung (und dann während der Unterrichtszeit, um den Inhalt zu diskutieren) oder nach der Vorlesung (als weitere Möglichkeit, den Inhalt zu wiederholen) ansehen konnten. Dieses wichtige Feedback sollte berücksichtigt werden, unabhängig davon, ob wir aus der Ferne unterrichten oder nicht.
Schlussfolgerungen
Es ist leicht, die letzten zwölf Monate durch eine defizitäre Brille zu betrachten – als eine Krise nach der anderen, die zu ernsten psychischen Problemen und erheblichen akademischen Verlusten geführt hat. Konzentrieren wir uns stattdessen auf das beträchtliche Wachstum, das stattgefunden hat. Die Lehrkräfte haben neue und dynamische Lehrstrategien erlernt. Die Studierenden haben sich schnell an neue Lernmethoden gewöhnt. Wir alle haben ein kritisches Bewusstsein für die nationale Auseinandersetzung mit Rassismus und Ungerechtigkeit entwickelt und haben ein klareres Gefühl für das Ausmaß und die Art der Probleme in unserer Gesellschaft. Wir haben ein besseres Gespür für die Instrumente, die wir brauchen, um unsere Studierenden gut zu unterrichten. Lassen Sie uns einige dieser dynamischen und einfühlsamen Unterrichtspraktiken beibehalten, um eine effektivere und mitfühlendere Ära in der Bildung einzuläuten.
Letitia Basford
unterrichtet an der School of Education der Hamline University, Minnesota, USA. Ihre Lehr- und Forschungsinteressen konzentrieren sich auf den gleichberechtigten Zugang von Schülern zur Bildung, wobei der Schwerpunkt auf kulturell angepasster und reformorientierter Pädagogik liegt.
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