Plane deine Geburt wie deine Hochzeit!

Frauke Ludwig & Solveig Carstens

Vorbereitung ist alles! Auch bei einer Geburt. Erfahre, was es zu bedenken und zu beachten gilt, sobald sich ein Baby ankündigt. Aber lass dich nur nicht stressen. Erstmal tief durchatmen, lesen und triff dann in Ruhe deine Entscheidungen.

In den meisten Fällen werden Hochzeiten heute bis in das kleinste Detail geplant. Von der Candybar, über den Fotoautomaten bis hin zu den flachen Schuhen für die Brautjungfern zu späterer Stunde. Nichts wird dem Zufall überlassen.

Für die Geburt unserer Kinder sieht das meist ganz anders aus. Wir gehen gutgläubig und vertrauensvoll nach einem absolvierten Geburtsvorbereitungskurs in die ausgesuchte Klinik und überlassen gefühlt alles dem Zufall, bzw. dem Personal vor Ort. Und genau das sollten wir uns im Vorfeld gut überlegen.

Denn nicht nur jede Hochzeit, sondern gerade auch jede Geburt ist einzigartig. Wir können in beiden Fällen nicht einfach zurückspulen und Dinge im Nachhinein verändern. Eine vernünftige Planung ist daher essenziell.

Wünschen wir uns für unsere Traurede eine persönliche, individuelle Ansprache, dann braucht es dafür im Vorfeld Gespräche und ein Kennenlernen der Beteiligten, um eine vertraute Basis für einen der wichtigsten Momente unseres Lebens zu schaffen. Genauso wichtig ist dies auch für die Geburt unserer Babys. Die Gebärende sollte sich wohl, sicher, wertgeschätzt und gesehen fühlen.

Die Hebamme und Autorin Ina May Gaskin hat einmal gesagt: »Wenn eine Frau unter der Geburt nicht aussieht wie eine Göttin, behandelt man sie nicht richtig!« Und da statistisch gesehen jede zweite Frau unter der Geburt Gewalt erfährt, sind wir von diesem wunderschönen Bild meilenweit entfernt.

Um gestärkt in eine selbstbestimmte Geburt gehen zu können, benötigen wir daher Informationen und müssen frühzeitig wichtige Entscheidungen treffen.

Die Entscheidung aller Entscheidungen

Eine der elementarsten sogar im besten Falle schon vor der Zeugung oder spätestens direkt nach dem positiven Schwangerschaftstest ist die der Wahl des Geburtsortes!

Möchten wir zu Hause unser Baby bekommen, sollten wir umgehend den Kontakt zu einer Hausgeburtshebamme herstellen, denn diese sind schneller ausgebucht, als der Test getrocknet ist. Ähnlich verhält es sich bei Beleghebammen, die uns in Kliniken begleiten dürfen und in dem Fall rund um die Uhr nur für uns da sind. Auch im Geburtshaus sollten wir sofort anrufen, falls dies der Ort für unsere Geburt werden soll.

Eine 1:1 Betreuung ist tatsächlich nur in der außerklinischen Geburtshilfe oder mit Beleghebammen in den Kliniken gewährleistet. Und genau diese Form der Betreuung ist erfahrungsgemäß maßgeblich für ein positives Geburtserlebnis. Wir möchten doch auch nicht, dass der:die Standesbeamt:in inmitten in der Zeremonie den Raum verlässt, um nebenan noch schnell vier weitere Paare zu verheiraten.

Die Wahl des Geburtsortes sollte zeitig in der Schwangerschaft erfolgen, um den gewünschten Ort zu bekommen.

Zahlreiche Statistiken aber auch die Rückmeldungen von Kursleiter|innen|ys zeigen eindeutig, dass sich die kontinuierliche Betreuung sowohl auf die Geburt selbst aber auch auf den gelingenden Start in das Wochenbett auswirkt.

Wenn wir weder eine Beleghebamme ergattern konnten noch die Möglichkeit einer Hausgeburt oder Geburtshausgeburt haben, sollten wir spätestens dann unbedingt darüber nachdenken, nach einer Doula Ausschau zu halten. Doulas sind nichtmedizinische Schwangerschafts-, Geburts- und Wochenbettbegleiterinnen, deren Aufgabe es ist, sich um alle Wünsche der Gebärenden zu kümmern. Doula bedeutet übersetzt Dienerin und genau dies möchte sie sein. Die Dienerin der Frau unter der Geburt. Studien belegen deutlich, wie hilfreich und wertvoll die Begleitung einer Doula ist. Wesentlich geringere Sektioraten, mehr selbstbestimmte Geburten, ein besserer Stillstart, sind nur ein paar der Punkte verschiedener Statistiken. Eine Doula können wir auch bei unserer Haus- oder Geburtshausgeburt dazu buchen. Sie kann und wird immer eine wertvolle Ergänzung und Hilfe sein.

Wie bei nahezu allen Planungsprozessen, stehen zunächst die groben Eckpfeiler. Wann, wo, mit wem und wie ungefähr! Und genau an diesem Punkt sollten wir nicht nur bei unserer Hochzeit ins Detail gehen, sondern auch bei der Geburtsplanung.

Warum Wissen so wichtig ist

In unseren Kursen arbeiten wir mit Listen, die den werdenden Eltern helfen sollen, sich mit scheinbar banalen Dingen auseinanderzusetzen, wie beispielsweise der Nutzung eigener Kleidung statt des Flügelhemdchens oder dem selbstbestimmten Toilettengang. Diese Dinge sind nicht selbstverständlich und müssen gegebenenfalls in einer Situation erkämpft werden, in der man sich eigentlich auf die Ankunft seines Babys freuen und Wehen veratmen sollte.

Im besten Falle überlegen wir uns auch schon in der Schwangerschaft, ob wir uns chemische Schmerzmittel vorstellen können oder lieber auf schmerzlindernde Massagen oder andere Alternativen zurückgreifen möchten. Eine dieser Alternativen ist beispielsweise, miteinander intim zu werden. Intensive Küsse, sexuelle Erregung und Brustwarzenstimulation können tatsächlich in sogenannten orgastischen Geburtserlebnissen enden. Wichtig ist, dass beide Elternteile dies wollen und es sich gut und richtig anfühlt. Dem Klinikpersonal sollten wir dann mitteilen, dass wir für diese Zeit ungestört sein möchten, damit nicht ständig jemand den Raum betritt. In unserer Hochzeitsnacht wünschen wir uns auch keine Zaungäste.

Die Rolle der Geburtsbegleitung ist generell eine größere als oftmals gedacht. So wie wir selbstverständlich nicht alleine heiraten, so haben wir bei der Geburt in der Regel auch eine:n Begleiter:in dabei. Sei es Partner:in, beste Freund:in, Mutter, Vater etc. Hier ist die mentale Unterstützung meist schon die halbe Miete.

Was kaum jemand im Vorfeld bedenkt – auch für unsere Begleiter|innen|Begleitys ist eine gute Vorbereitung essenziell, um die Gebärende auch wirklich gut unterstützen zu können.

Die Begleitung hat eine tragende Rolle

Wir sollten daher als Begleitperson über Geburtsabläufe und -positionen mit ihren jeweiligen Vor- und Nachteilen genauso Bescheid wissen, wie über die Wünsche und Ängste der Schwangeren. Hier sind Gespräche im Vorfeld immens wichtig, um dann gegebenenfalls das Sprachrohr unter der Geburt für die Gebärende sein zu können.

Aber nicht nur durch Wissen und in der Theorie können wir unterstützen. Mit einem Tragetuch oder speziellen Rebozo-Tüchern haben wir als Begleiter|innen|Begleitys die Möglichkeit, Übungen zur Entlastung anzubieten. Ganz wunderbar funktionieren einige der Rebozo Methoden, um die Gebärende zu stützen oder einfach nur zu halten. Auch Massagen zur richtigen Zeit und an den richtigen Stellen können entlasten und Partner|innen|Partnys das Gefühl geben, helfen zu können. Als Begleiter|innen|Begleitys müssen wir nicht passiv in einer Ecke stehen – im Gegenteil. Nur weiß das kaum noch jemand.

Mentale Unterstützung ist meist schon die halbe Miete.

Die Medien haben in den letzten Jahrzehnten eine Menge dazu beigetragen, dass wir ein ganz verzerrtes und falsches Bild von Geburten in uns tragen. In Hollywoodfilmen sehen wir schreiende Frauen, die mit Blaulicht in eine Klinik gebracht werden. In der nächsten Szene steht die Begleitperson wie eine Stehlampe am Kopfende des Kreißbettes, während ein Arzt die kreischende Gebärdende anfeuert, zu pressen. Dann wird der verschwitzten, in Rückenlage befindlichen, frischgebackenen Mutter das eingepackte Baby in den Arm gelegt und alle sind glücklich.

Geburt ist auch eine soziale Kompetenz

Dass Geburten so in der Regel gar nicht ablaufen, ist uns kaum noch bewusst. Da wir nicht mehr in Sippen leben, haben wir quasi keine Chance mehr, bei unseren Verwandten und Freund:innen abzugucken und zu lernen.

Daher ist es umso wichtiger, dass wir uns informieren, wie Geburten eigentlich sein können. Bei Menschen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, dieses alte Wissen zu erhalten. Die sich darum sorgen, dass Frauen unter der Geburt eben aussehen, wie Göttinnen.

Ein paar wenige Kliniken machen es bereits vor, in dem sie selbst auf vermeintliche Kleinigkeiten achten. Dass die Gebärenden beispielsweise nicht von oben herab angesprochen werden, sondern sowohl Hebammen als auch Ärzt|innen|ys so weit in die Hocke gehen, dass sie mit der Schwangeren auf Augenhöhe und respektvoll in Kontakt treten.

Die Frauen werden begleitet und ermutigt, intuitiv ihre Position für die Geburt zu finden. Ein weiterer wichtiger Schritt sind die neu beschlossenen S3-Leitlinien, die hoffentlich in allen Kliniken die Geburtsabläufe wieder in die richtige Richtung revolutionieren. Diese Leitlinie definiert alle Phasen der Geburt und gibt Anhaltspunkte zum Handling für die Geburtshelfenden auf aktuellem Wissensstand. Sie wurde unter der Federführung der DGHWi (Deutsche Gesellschaft für Hebammenwissenschaften) und der DGGG (Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe) erstellt.

So wie wir jedes Jahr an unseren Hochzeitstag zurückdenken, an den Moment der Trauung, an die Feier und unsere Gäste, so werden wir auch an jedem Geburtstag unseres Kindes an seine Geburt denken. Unzählige Frauen denken nicht gerne zurück, berichten von schrecklichen und demütigenden Situationen. Von übergriffigen Ärzt|innen|ys oder Hebammen, die die Gebärenden nicht ernst genommen oder ungefragt Handlungen an ihnen ausgeführt haben.

Auf die Vorbereitung kommt es an

Immer mehr Familien bereiten sich daher mit einem »Geburtsplan« auf die Geburt vor, um solchen Übergriffen entgegenzuwirken. Der Name ist nicht ganz treffend, weil wir Geburten eben nicht wirklich durchplanen können. Sie unterliegen keinen starren Abläufen, wie z. B. der Irrglaube, dass sich der Muttermund einen Zentimeter pro Stunde öffnet. Das ist ein Mythos, reine Mathematik und vollkommen untauglich, um einen Geburtsfortschritt zu erfassen. Es hat nur zur Folge, dass sich Familien und Geburtshelfer:innen auf Zahlen fixieren und dann frustriert sind, wenn es angeblich nicht weiter geht. Dabei ist das Gebären so dynamisch wie das Tanzen zweier Liebender. Mal geht es in schnellem Rhythmus, mal gibt es einen langsamen Engtanz, mal ist es holprig wie in der ersten Tanzstunde und mal greift alles perfekt ineinander wie bei einem perfekten Tango.

Leg dir rechtzeitig deinen Geburtsplan zu, um gewappnet zu sein.

Wie können wir solch einen Tanz also planen? Geburten dauern unterschiedlich lange. Zwischen ein paar Minuten und ein paar Wochen kann alles gut und richtig sein.

Zunächst geht es darum, in uns hineinzuspüren, was unser Gefühl sagt. Welche Vorstellungen und Wünsche habe ich? Was wäre das Beste, das ich mir denken kann? Was kann ich tun, wenn wir etwas aus dem Tritt kommen? Wen möchte ich an meiner Seite haben? In welcher Location möchte ich mich dabei aufhalten? Welche Musik wünsche ich mir?

Wenn wir zur Geburtsanmeldung in der Klinik eintreffen, werden uns etliche Fragen gestellt. Hier erfasst die Klinik die für sie wichtigen Daten. Da ist es doch nur fair und partnerschaftlich, wenn alle Beteiligten gleichberechtigt sind und auch wir unsere Fragen und Wünsche übermitteln können. Hier sollten wir zwischen wichtigen Informationen für uns selbst und den wichtigen Informationen für unser betreuendes, medizinisches Personal unterscheiden.

Ob diese Listen nun »Geburtsplan« »Wunschliste« »Gedanken zur Geburt« oder ganz anders heißen, ist in erster Linie nicht relevant. Wichtig ist, dass sie helfen, Gedanken, Wünsche, Ängste und Bedürfnisse von Frauen und Familien zu erfassen. Das ist Präventionsarbeit. Es kann uns stärken und Sicherheit geben.

Es ist eine wertvolle Kommunikationsform in einem Moment unseres Lebens, in dem wir vielleicht keine Worte finden oder uns still in unseren Körper zurückgezogen haben, um dort mit uns und unserem Baby in Kontakt zu treten.

In der Ruhe liegt die Kraft

Wir sollten nicht sprechen müssen, um uns auszudrücken. Wir erzählen ja auch keinen Tanz, wir fühlen ihn und folgen dem Rhythmus. Geburt ist Bewegung. Aber das bedeutet nicht, dass wir einen Parcours an Geburtspositionen durchturnen oder Frauen mit beginnenden Wehen spazieren oder Treppensteigen schicken müssen, um die Kontraktionen anzuregen und voran zu bringen. Denn dies ist in der ersten Phase der Geburt, der Latenzphase oft nur sehr ermüdend und wir sind dann möglicherweise erschöpft, bevor es richtig losgeht. Wenn es uns und unserem Kind gut geht, können wir diese Zeit zu Hause verbringen, uns ausruhen, ein Bad nehmen oder schlafen und Kraft tanken. Gras wächst bekanntlich auch nicht schneller, wenn man daran zupft! Wenn wir von Bewegung sprechen, geht es um Bewegungsfreiheit, Freiräume im Becken und Beweglichkeit in jeder Situation.

Wir sollten daher unbedingt sowohl über Geburtsabläufe aber auch unsere Rechte informiert sein. Denn diese haben wir! Es ist eben nicht egal, wie wir geboren werden oder gebären. Es ist unser Start in die Welt und das vermutlich spannendste Blind-Date unseres Lebens. Wir sollten dafür kämpfen, dass wir Frauen eine empowernde Geburt haben, denn dann hat auch unser Baby in der Regel einen so viel besseren Start ins Leben hier draußen. ■

Gut zu wissen!

Mögliche Aufgaben der Begleitperson:

  • Rebozo
  • Sprachrohr sein
  • Massagen
  • Anwesend und achtsam sein
  • Schweigen können
  • Körperliche und mentale Unterstützung
  • Gemeinsam atmen
  • Versorger:in sein
  • Versorger:in sein

Unabhängig von der Wahl des Geburtsortes, ist wichtig zu wissen, dass Hebammen für die Wochenbettbegleitung auch regelmäßig unfassbar schnell ausgebucht sind.

Funfact: In eine Klinik können wir immer gehen, hier ist eine Geburtsanmeldung erst im späteren Verlauf der Schwangerschaft vorgesehen. Melden wir uns also lieber beim Geburtshaus an, zur Not können wir immer noch wechseln.

Good to know: Wir haben die gesamte Schwangerschaft und dann bis zum letzten Tropfen Milch – auch bei Fehlgeburten – gesetzlichen Anspruch auf Hebammenhilfe.

Wusstest du, dass … der Eisenwert im Blut deines Babys noch ein halbes Jahr nach der Geburt signifikant höher ist, wenn die Nabelschnur auspulsieren konnte?

Schon die ersten ein bis drei Minuten sind kostbar, manchmal dauert es etwas länger. Auch bei einer Bauchgeburt muss nicht sofort abgenabelt werden.

Must have: Wenn du in den letzten zwei Stunden vor der Geburt Infusionen bekommen hast, verändert dies das Geburtsgewicht deines Babys, daher bitte nach zwölf Stunden nochmals wiegen!

Auch Brüste lagern dann Wasser ein und eine Brustdrüsenschwellung (ehem. Milcheinschuss) kann sich bis neun Tage nach der Geburt verzögern!

Solveig Carstens

ist Mutter eines Sohnes, Hebamme und pflegt einen bindungs- und beziehungsorientierten Umgang in ihren zu betreuenden Familien. Gemeinsam mit Frauke Ludwig erarbeitete sie das Kurskonzept BellyBasics®, welches die beiden auf der Plattform Einfach Eltern® aus- und fortbilden. Durch unzählige Fortbildungen immer auf dem neuesten Stand, betreut sie die geprüften Kursleiterinnen.

Frauke Ludwig

ist Mutter von zwei Töchtern und lebt in Hamburg. Sie leitet gemeinsam mit Diana Schwarz die Ausbildungsplattform Einfach Eltern® mit den Ausbildungskursen BabySteps®, BellyBasics® und MiniSigns® und ist zudem als Autorin, Coach und Beraterin für Unternehmen und Einzelpersonen aktiv. Die Leitung der Trageschule Hamburg®, sowie die Abwicklung des Attachment Parenting Kongresses sind weitere Schwerpunkte ihrer Arbeit. Das mit Diana Schwarz gemeinsam geschriebene Buch Baby Basics erschien 2018 im Kösel Verlag.

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