»Von uns erzählen hilft. Wann immer eine Mutter ein Sternenkind bekommt …«

In vielen Vereinen und Organisationen gibt es soziales und bürgerschaftliches Engagement rund um die Themen Bildung und Leben mit Kindern. In dieser Reihe werden einige davon vorgestellt. Ein Interview mit Oliver Wendlandt, Pressesprecher des Projekts Dein Sternenkind .

Herr Wendlandt, wie ist das Projekt Dein Sternenkind entstanden und durch wen?

Dein Sternenkind wurde Anfang 2013 durch den Fotografen Kai Gebel ins Leben gerufen und bietet Erinnerungsfotos als ein Geschenk für Eltern, die entweder ein bereits totes Baby auf die Welt bringen müssen oder denen der Tod des Neugeborenen unausweichlich bevorsteht. Kai hatte zuvor ein Bild eines Vaters mit seinem Kind auf dem Arm gesehen und war neugierig, wer das Foto gemacht hatte. Dadurch stieß er auf die amerikanische Organisation Now I Lay Me Down to Sleep (NILMDTS) und wurde dort Mitglied. NILMDTS ist eine 2005 gegründete amerikanische Wohltätigkeitsorganisation, die als »freiwilliges Netzwerk für das Fotografieren von toten und sterbenden Säuglingen« beschrieben wird. Nach seinem ersten Einsatz für diese Organisation war er der Überzeugung, dass das auch in Deutschland eine große Hilfe sein kann, und rief die Initiative ins Leben.

Was ist das Ziel des Projekts?

Ziel ist es, allen Eltern, die ästhetische, würdevolle Bilder ihres Sternenkindes haben möchten, diese zu schenken. Der Dienst ist immer zu 100 % kostenlos für die Eltern. Alle Beteiligten arbeiten ehrenamtlich.

Wie erreichen Sie dieses Ziel?

In erster Linie durch Information in Kliniken, Fachpraxen etc. und vielfältige Öffentlichkeitsarbeit. Nur wenn die Information über Dein Sternenkind die betroffenen Eltern erreicht, können die Eltern eine Entscheidung treffen.

Wir haben ein ausgeklügeltes Alarmierungssystem, das dafür sorgt, dass schon wenige Minuten nach einer Einsatzanforderung ein Koordinator und binnen maximal einer Stunde in der Regel ein verfügbarer Fotograf zurückruft.

Die letzten etwa 5.000 Einsatzanforderungen wurden zu 100 % erfüllt, d. h. es war immer ein Fotograf zur Stelle, der Bilder des jeweiligen Sternenkindes machen konnte.

Ah, können Sie noch etwas zu dem »ausgeklügelten Alarmierungssystem« sagen? Wer informiert wen?

Gern. Man kann uns auf dreierlei Arten alarmieren. Am schnellsten über die Fotografenanforderung auf unserer Webseite www.dein-sternenkind.org . Dort ist ein kleines Formular auszufüllen und abzuschicken. Die zweite Möglichkeit ist unsere App, die auf unserer Homepage für Fachpersonal zum Download bereitsteht und mit der das Klinikpersonal ohne PC mit dem Smartphone einen Fotografen anfordern kann. Zu guter Letzt kann man uns auch über unsere Notfallnummer erreichen, hierbei meldet sich ein Anrufbeantworter.

Eltern von Sternenkindern sollten auf die Chance, Bilder von ihren Kindern zu bekommen, aufmerksam gemacht werden.

In allen drei Fällen wird sofort ein Team von 15 Koordinatoren automatisch alarmiert. Der am schnellsten verfügbare Koordinator ruft (in der Regel innerhalb von 1 bis 3 Minuten) in der Klinik oder bei den Eltern zurück. Nachdem er den Ablauf des Einsatzes geklärt hat, setzt er den sogenannten Call in unser Forum, ermittelt über eine Interaktive Karte, welche Fotografen im Umkreis der Klinik bei uns registriert sind, und alarmiert über eine Alarmierungssoftware diese Fotografen. Zeitgleich geht an diese Fotografen eine entsprechende Mail raus. Im Forum besprechen die Fotografen, wer fahren kann, und der zeitlich passendste Fotograf meldet sich in der Klinik. Meist vergehen zwischen der Einsatzanforderung und dem Rückruf des Fotografen keine 15 Minuten. Das weitere Vorgehen ist individuell, da wir bei Beginn einer Einleitung genauso gerufen werden, wie wenn ein Kind schon geboren ist. In der einzeiligen Alarmierung der Fotografen sind Eskalationsstufen hinterlegt, sodass die Fotografen abschätzen können, in welchem Zeitraum sie benötigt werden, oder ob sofortige Abfahrt zum Einsatz notwendig ist.

Sie sprachen gerade von unglaublichen 5.000 Einsatzanforderungen. Seit wann gibt es denn Dein Sternenkind und wie viele Einsatzanforderungen gab es bisher?

Dein Sternenkind gibt es seit 2013 – genaue Zahlen aus den ersten Jahren haben wir leider nicht. Es sind aber weit über 5.000 Sternenkinder, die wir bis jetzt fotografieren durften, dieses Jahr werden es etwa 1.900 sein. Die Einsatzzahlen steigen von Monat zu Monat. Wo es Anfang 2016 noch 30 bis 40 Einsätze waren, sind es jetzt knapp 200 jeden Monat.

Da haben Sie bereits allerhand erreichen können. Gibt es Meilensteine?

Unser eigener Anspruch ist es, den Eltern zu helfen – so ist jedes einzelne fotografierte Sternenkind für uns ein Meilenstein. Dieses Jahr werden wir so viele Eltern erreicht haben wie noch nie …

Das Highlight des letzten Jahres war sicher die Auszeichnung mit dem Publikumspreis des deutschen Engagementpreises – hier wurde die Arbeit der vielen Fotografen von vielen tausend Menschen gewürdigt.

Können Sie weitere Zahlen nennen? Wie viele Fotografen machen bei Ihnen mit? Wie oft kommen diese zum Einsatz?

Aktuell sind wir knapp 600 Fotografen – die Zahl schwankt immer ein wenig. Dieses Jahr werden es etwa 1.900 Einsätze sein.

Wie kann ein Fotograf bei Ihnen mitmachen? Welche Anforderungen hat er oder sie zu erfüllen?

Fotografen können sich über unsere Homepage bewerben. Wir prüfen gewissenhaft, ob der Fotograf von Stil, Können und Ausrüstung als Fotograf bei Dein Sternenkind in Frage kommt. Dabei machen wir keinen Unterschied, ob es sich um einen Berufsfotografen oder -fotografin oder einen Amateur handelt. Entscheidend ist, dass man möglichst lichtstarkes Equipment zur Verfügung hat, optimaler Weise ein Portfolio vorzeigen kann, bei dem Menschen im Mittelpunkt stehen, und man muss mit einem Smartphone ausgestattet sein, um alarmiert werden zu können.

Gibt es Umstände oder Dinge, die Ihnen die Arbeit erschweren?

Eigentlich nur eines: Wenn die Eltern über die Möglichkeit für die Fotos bewusst nicht informiert werden. Leider gibt es auch heute noch einige Kliniken, die sich strikt weigern, den Eltern dieses kostenlose Angebot zumindest vorzuschlagen, und die damit den Eltern die Möglichkeit nehmen, diese Entscheidung selbst zu treffen.

Allerdings hat sich diese Situation in den vergangenen beiden Jahren entscheidend verbessert: Mittlerweile gehört es in vielen Kliniken zum Standard, Eltern von Sternenkindern über unser Angebot zu informieren.

Aus welchem Grund weigern sich manche Kliniken strikt? Und was lässt sich dagegen tun?

Das hat mehrere Gründe. Einigen Kliniken fehlt schlichtweg der Glaube, dass wir unsere Dienste kostenlos anbieten, sie vermuten irgendeinen »Haken« an der Geschichte. Des Weiteren sind wir teilweise mit Personal konfrontiert, das für sich entschieden hat, dass sie unsere Arbeit den Eltern nicht empfehlen oder darüber informieren wollen, dass es die Möglichkeit gibt. Das hat teilweise auch mit eingefahrenen Strukturen zu tun oder mit der persönlichen Ablehnung der Fotografie von Sternenkindern.

Wir stellen jedoch insgesamt fest, dass unsere Aufklärungsarbeit Wirkung zeigt und sich auch erst ablehnende Häuser nach einem Gespräch mit beispielsweise einem Fotografen haben überzeugen lassen.

Für Kliniken gibt es entsprechende Info-Pakete, die unsere Arbeit vorstellen. Diese können über unsere Webseite im Bereich für Fachpersonal kostenfrei angefordert werden. Dabei geht es in erster Linie um die proaktive Information der Eltern über die Möglichkeit. Nur wenn ich weiß, dass es die Möglichkeit gibt, kann ich eine Entscheidung treffen – und in unserem speziellen Fall muss das eben sehr zügig passieren.

Rufen können uns auch die Eltern direkt – das muss die Klinik nicht machen. Viele machen das aber für die Eltern.

Da die Eltern immer einverstanden sein müssen, dass wir die Kinder fotografieren, sind die Kliniken auch in Richtung Datenschutz entsprechend sicher.

Wie können Interessierte Sie unterstützen?

Von uns erzählen hilft. Wann immer eine Mutter ein Sternenkind bekommt – irgendjemand muss sie darüber informieren, dass es Dein Sternenkind gibt. Das ist nur gewährleistet, wenn möglichst viele Menschen von uns wissen.

Natürlich nehmen wir auch Spenden an, um Infrastruktur, Porto, Druckkosten für Flyer, DVDs für die Fotografen, Infomappen und die Präsenz auf themenbezogenen Veranstaltungen zu finanzieren. Wir rufen aber grundsätzlich nicht zum Spenden auf.

Grundsätzlich? Warum nicht?

Weil wir etwas verschenken, ohne etwas dafür zu erwarten. Gerade in der heutigen Zeit haben wir diesen Anspruch an uns selbst. Einer unserer Grundsätze, deshalb »grundsätzlich«. Und wir möchten daran eigentlich auch nicht rütteln, wenn wir das irgendwie vermeiden können.

Bleibt mir noch zu fragen, welche Frage würden Sie gern gestellt bekommen und beantworten?

Viele unserer Fotografen werden damit konfrontiert, dass Menschen ihre Arbeit als pietätlos empfinden. Solchen Menschen würde ich gerne antworten, dass auch Eltern von Sternenkindern Eltern sind und ein Recht auf Bilder ihres Kindes haben sollten. Wie jedes andere Elternpaar auch.

Herzlichen Dank für das Gespräch.

sr

Projekt: Dein Sternenkind

Gründung: 2013

Sitz: Seeheim-Jugenheim

Aktionsraum: Deutschland, Österreich, Schweiz

Kontakt: info@dein-sternenkind.eu

Tel. 06257 918 500 9 (Notfallnummer)

Website: www.dein-sternenkind.eu

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